Sonntagskind Charlotte von Mahlsdorf
Am 09. März 2016 fand im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf ein besonderes Marzahn-Hellersdorfer Gespräch zur Geschichte statt. Und das im doppelten Sinne. Zum einen war der Veranstaltungsraum des Museums gefüllt wie selten und zum anderen wurde ein Dokumentarfilm voraufgeführt. Das große Interesse galt dem Film „Sonntagskind“. Er erinnert in bewegten und beeindruckenden Bildern an Charlotte von Mahlsdorf. Anwesend waren die Regisseurin Carmen Bärwaldt und der Cutter Thomas Ballschmieter.
Charlotte von Mahlsdorf wurde an einem Sonntag, den 18.März 1928 in Berlin-Mahlsdorf als Lothar Berfelde geboren. Bereits als Kind interessierte sie sich für Mädchenkleider und alten Kram. Sie liebt und verehrt ihre Mutter. Mit dem Vater gibt es oft Streit. Charlotte erschlug ihn 1944 mit einem Nudelholz. Sie wird als asozialer Jugendlicher zu vier Jahren Jugendgefängnis verurteilt. Nach 1945 kam Charlotte frei, arbeitete als Trödlerin und kleidete sich weiblicher. Sie sammelte Haushaltsgegenstände, rettete historische Alltagsgegenstände und verkaufte Möbel. Sie setzte sich für den Erhalt des Gutshauses Mahlsdorf ein und erhielt das Gebäude mietfrei überlassen. Aus ihrer Sammlung entstand schließlich 1960 das Gründerzeitmuseum in Mahlsdorf. Hier befindet sich auch die Mulackritze – eine komplett erhaltene Berliner Kneipe aus dem Scheunenviertel.
Charlotte von Mahlsdorf wird mit den Jahren der berühmteste Transvestit Deutschlands und Integrationsperson für Lesben und Schwule. Nach einem Überfall von Neonazis auf ein Frühlingsfest mit über 500 Gästen im Park des Gutshauses im Jahr 1991 entschließt sie sich Deutschland zu verlassen. 1992 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. 1997 ist es dann soweit, Charlotte von Mahlsdorf siedelte nach Porla Brunn in Schweden um und eröffnete dort ein neues Jahrhundertwendemuseum. Danach besuchte sie mehrmals Berlin. Am 30. April 2002 starb Charlotte während eines solchen Besuches plötzlich und unerwartet an einem Herzinfarkt. Sie wurde auf dem Evangelischen Waldfriedhof in der Rahnsdorfer Straße in Berlin-Mahlsdorf neben seiner Mutter Gretchen Berfelde beigesetzt.
Zum Inhalt des Films wird hier aus der Pressemitteilung zitiert: „Der versunkene schwedische Kurort Porla Brunn wird zum optischen Zentrum des Films. Es entsteht ein Reigen von Bildern und Episoden aus Charlottes faszinierender Vita, von ihr selbst erzählt – mit Grandezza, mit Humor und überraschender Offenheit. So berichtet sie über ihre Kindheit und Jugend in den Jahren des Nationalsozialismus und des Krieges, über Hungerjahre und Neuanfang, über ihre Rolle als Identifikationsperson für homosexuelle Frauen und Männer in der DDR und im vereinigten Deutschland. Mit liebevollem Respekt zeichnet der Film Charlottes dornigen Lebenspfad nach, der gesäumt war von Gewalt, Demütigung und Ausgrenzung. Lebenslang und unbeirrbar warb Charlotte für menschliche Güte, für soziale Gerechtigkeit, für Toleranz und Akzeptanz von Minderheiten.“
Das Gründerzeitmuseum wurde vom Land Berlin gekauft. Ein gegründeter Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e.V. sorgte 1997 für die Wiedereröffnung des Museums. Mit Mitteln der Lottostiftung Berlin wurde es umfassend saniert. Heute beherbergt das Museum die umfangreichste und vollständigste Sammlung von Gegenständen der Gründerzeit. Im Gutshaus finden außerdem Trauungen und Kulturveranstaltungen statt. Der Heimatverein hat sich immer für den Erhalt des Hauses und der Sammlung eingesetzt. Der Vorstand hat das Gründerzeitmuseum besichtigt und dort eine Vorstandssitzung abgehalten. Text und Fotos: Andreas Rinner, Vorstandsmitglied